WIRD DER KUNDE DOCH WIEDER KÖNIG?
Im Banking galt lange Zeit die wirkliche Beschäftigung mit Kunden als zu teuer, als nicht zielführend und als eher unschick. Sich auf die Bankbilanzen, die Refinanzierung und Business Cases zu fokussieren, dies brachte die meisten Erträge. Kunden? Die stören doch nur. Vielleicht werden sie gegenwärtig aber doch wieder zum König. Das Zinsniveau ist hoch und Banken suchen händeringend nach Liquidität. Für alle Banken wird eine breit aufgestellte Finanzierungs- und Liquiditätsbasis zum Erfolgsfaktor Nummer eins. Um dies zu gewährleisten, werden Kundeneinlagen benötigt.
Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, hat über die Zinserhöhungen Bankkunden zu Königen gekürt. Am Ende entscheiden diese, wo sie ihr Geld parken und welcher Bank sie ihr Vertrauen schenken.
INFLATION, DIE UNTERSCHÄTZTE GROSSBEDROHUNG
Die Inflation wirkt wie ein zu schnell fahrendes Karussell. Einige Marktteilnehmer, ob Banken oder Unternehmen, werden aus der Kurve getragen. Normalbürger und Sparer werden von der Inflation von zwei Seiten in die Zange genommen. Zum einen werden Waren und Dienstleistungen teurer. Das heißt, das Leben kostet mehr, die Lebenshaltungskosten steigen. Zum anderen führt die Inflation zu einer Entwertung des vorhandenen gesparten Geldes. Beispielhaft werden aus 100.000 EUR bei einer Inflationsrate von 7,0% innerhalb von fünf Jahren 71.299 EUR, innerhalb von zehn Jahren 50.835 EUR. Dies hat gravierende Auswirkungen. Rücklagen für Renten werden hierdurch beispielsweise massiv entwertet. Das ganze Rentensystem könnte ins Wanken geraten, hielte sich die Inflation über einen längeren Zeitraum auf einem sehr hohen Niveau.
Grundsätzlich müssten die Zinsen höher liegen als die Inflation, um diese wirkungsvoll zu bekämpfen. In der Vergangenheit war es nur über diesen Weg möglich, die Inflation einzudämmen. Allerdings ist dieser Weg aktuell nicht machbar. Die astronomischen Schuldenberge vieler Staaten wären nicht mehr bezahlbar. Einige Staaten würden in sehr ernste Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die EZB wägt somit zwischen Inflationsbekämpfung auf der einen und Finanzmarktstabilität auf der anderen Seite ab.
TRANSFORMATIONSPROGRAMME DER BANKEN - WIE INNOVATIV SIND SIE WIRKLICH?
Die Zukunft startet mit einem aufrichtigen Blick auf den eigenen Status-Quo. Ist man wirklich so phantastisch aufgestellt, wie auf der Pressekonferenz verkündet, oder gibt es vielleicht doch Problemfelder grundsätzlicher Natur. Für Banken ist das eine schwierige Frage. Banken sind Experten mit zwei Gesichtern. Gegenüber Kunden wird versucht, die glänzende Fassade aufrecht zu erhalten. Intern sieht das dann manchmal auch anders, also ganz anders aus. Da sich aber viele Banken vor der Therapie fürchten, blenden sie die Diagnose aus.
Es ist viel entspannter, die erkannten Fehler zu ignorieren, oder zu versuchen, sie mit kleinen Korrekturen zu heilen. So entstehen dann zahlreiche Transformations- und Weiterentwicklungsprogramme, die ihren Namen nicht wert sind. Grundlegendes wird nicht angepackt und weiter in die Zukunft verschoben. Soll sich doch die Zukunft um die Zukunft kümmern. Im Automobilbau würde man sagen, die Zukunftsprogramme vieler Banken gleichen eher einer Modellpflege als der Konzeption einer neuen innovativen Baureihe. Transformationen mit Modellpflegecharakter kosten weniger, sind einfacher zu handhaben und bedürfen weniger Veränderung.
ARTIFICIAL INTELLIGENCE - DIE EROBERUNG DER WELT ÜBER SPRECHENDE COMPUTER
Wird die Menschheit jetzt endgültig gezähmt? Zunächst erfolgte die Abhängigkeit von digitalen Helfern wie Laptops, Handys und Google, nun aber übernimmt AI das Kommando. Erst wurden Prozesse und Geräte digital, jetzt denken diese auch noch mit. LLMs (Large Language Models), eine Unterart der Artificial Intelligence, erlauben den Zugriff auf fast unendliche Datenmengen. Mithilfe eines Rückkopplungs-Lern-Algorithmus können selbst Nuancen der menschlichen Sprache in Dialogform wiedergegeben werden. Diese neue Form der AI generiert und manipuliert Sprache inzwischen in höchster Perfektion.
Sicher ist, dass AI-Anwendungen das Banking verändern werden. Sicher ist auch, dass dies stärkere Auswirkungen haben wird, als wir bislang vermuten. Kundendaten, Kundenpräferenzen, digitale Prozesse, selbst der Kundenservice und Verkauf, alles könnte AI gesteuert werden. IT und Operations bereits in der Cloud, Frontend bei Google oder anderen. Die Kundendaten und das Management, das übernimmt AI. Die Bank als Bilanzhülle. Was Banken bleibt, ist alles, was keinen digitalen Abdruck hinterlässt.
GUTMENSCHENBANKING ÜBERALL
Wirkungsmanagement, Better Banking, #PositiveImpact, Banken überbieten sich in Gutenmenschenfloskeln. Wie ernst das jeweils gemeint ist? Man weiß es nicht. Als Nebenbedingung wird von den Banken gerne hingenommen, dass die Werbung mit Nachhaltigkeit und Gutmenschsein gut fürs Geschäft ist. Wenigstens etwas. Grundsätzlich ist das eine sehr positive Entwicklung. Nur wäre es noch besser, wüsste man, dass die Institute den Werbefloskeln auch echte Bedeutung beimessen. Auf dem Jahrmarkt der selbsternannten Weltverbesserer wird es zwischenzeitlich eng. Alle Banken tummeln sich dort, mit leichten Nuancen in der Tonalität. Ansonsten ist Gutmenschentum kein Differenzierungsfaktor mehr, eher ein Hygienefaktor. Auf den Projektseiten für Investitionen, die einem guten Zweck dienen, ist auch Rush Hour. Zu viele Institute, die hier investieren wollen. Mehr Geld als Möglichkeiten drücken in diesen Markt, mit absehbaren Folgen auf die Margen.
Die ursprünglichen Erfinder der Weltverbesserung, die Umwelt- und Sozialbanken, reiben sich die Augen. Was aktuell alles als gut, grün und gesellschaftlich vorbildlich tituliert wird, ist erstaunlich. Wenn man als Bank sein eigenes gutes Wesen in jedem Werbesatz fünfmal erwähnen muss, werden Kunden möglicherweise taub für die Botschaft. Und ist die Botschaft dann überhaupt ernst gemeint?
DER FINTECH-HYPE IST VORBEI
Die FinTech Geschichte basiert in großen Teilen auf der Geschichte von Fortunatus. Man muss sich nur zur richtigen Zeit im richtigen Wald verirrt haben und trifft dort auf die Jungfrau des Glücks. Hiernach schließt sich die leistungslose Salbung und unendlicher Reichtum an (durch Exit oder IPO). Es fand eine Wallfahrt der Glücksuchenden (Founders für irgendwas mit Banking) statt, wie in Zeiten des großen Goldrausches 1873. Alle hatten die eine Idee, die eine bahnbrechende Erfindung. Investoren wurde Unmengen an Sand in die Augen gestreut. Jedoch: viele Rechnungen, Pitches und Business Cases gingen nicht auf. Der Markt produzierte deutlich mehr Verlierer als Gewinner. Viele digital native FinTechs stehen vor der Insolvenz. Ursprünglich waren sie als Disruptoren gestartet. Mit den Änderungen der makroökonomischen Rahmenbedingungen und dem deutlich verteuerten Funding müssen sie nun ihren härtesten Test bestehen.
Hier kann man die Studie downloaden.