Studie: Deutsche fürchten Altersarmut und Wohlstandsverlust

Studie zu den Ängsten der Deutschen 2023

Eine aktuelle Studie hat die größten Ängste der Deutschen ermittelt. Steigende Lebenshaltungskosten, teurer Wohnraum und höhere Steuern bzw. Leistungskürzungen des Staates sind die Top 3 Ängste in diesem Jahr.

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Finanzielle Sorgen dominieren

"Die Ängste der Deutschen" ist die bundesweit einzige Umfrage, die sich seit 31 Jahren mit den Sorgen der Bevölkerung befasst. Seit 1992 befragt das R+V-Infocenter jährlich in persönlichen Interviews. - Quelle: Shutterstock.com

Hohe Preise, teurer Wohnraum und umfangreiche Sparpakete: Diese Themen bestimmen die Top-Ängste der Deutschen. An erster Stelle steht in diesem Jahr die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten (65 Prozent). Am deutlichsten gestiegen ist jedoch eine andere Sorge: Der Staat könnte durch Geflüchtete überfordert sein. Das zeigt die repräsentative Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen 2023" des Infocenters der R+V Versicherung, die bereits zum 32. Mal durchgeführt wurde. Insgesamt verschlechtert sich 2023 die Stimmung der Deutschen: Der Angstindex - der durchschnittliche Wert aller gemessenen Ängste - steigt auf 45 Prozent (2022: 42 Prozent).

Die Inflation hat Deutschland weiter im Griff, das Leben bleibt teuer. "Die Menschen spüren beim Einkauf an der Supermarktkasse, dass sie für ihren Euro immer weniger bekommen", sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. "Die Sorge um den eigenen Wohlstand ist allgegenwärtig - auch in den Ergebnissen unserer Langzeitstudie. Die drei Top-Ängste der Deutschen kreisen in diesem Jahr um finanzielle Sorgen."

Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten

Hohe Lebensmittelpreise und teurer Wohnraum - das Leben in Deutschland bleibt 2023 kostspielig. Viele Menschen haben Angst vor Wohlstandsverlusten: 65 Prozent der Deutschen fürchten sich vor steigenden Lebenshaltungskosten. Sechs von zehn Befragten haben Angst, dass Wohnen unbezahlbar wird. In der repräsentativen Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" befragt das Infocenter der R+V Versicherung seit 1992 jährlich rund 2.400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit. - Quelle: R+V Infocenter

Zwei Drittel der Deutschen fürchten, dass die Lebenshaltungskosten weiter steigen. Die Angst vor explodierenden Preisen landet mit 65 Prozent zum zweiten Mal in Folge auf dem ersten Platz der Studie. Im Vorjahr - Deutschland verzeichnete die höchste Inflation seit rund 50 Jahren - war sie um 17 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt (2022: 67 Prozent). "Die Menschen fühlen sich in ihrer Existenzgrundlage bedroht und sehen ihren Lebensstandard gefährdet. Das schürt Abstiegsängste", erläutert Professorin Dr. Isabelle Borucki. Die Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg begleitet die R+V-Studie seit diesem Jahr als Beraterin. Die Angst vor höheren Lebenshaltungskosten dominiert die repräsentative Langzeitstudie regelmäßig. Seit 1992 führt sie häufiger als jedes andere Thema das Ranking an: Insgesamt belegte die Furcht vor steigenden Preisen 13-mal Platz eins und siebenmal Platz zwei.

Sorge um bezahlbaren Wohnraum

Finanzielle Sorgen prägen auch die zweite Top-Angst der Bürger. Sechs von zehn Deutschen fürchten, dass Wohnen unbezahlbar wird (60 Prozent). "Für die einen zerschlägt sich angesichts steigender Zinsen und Baukosten der Traum vom Eigenheim, für die anderen wird die monatliche Miete zur immer größeren Belastung", sagt Studienleiter Brower-Rabinowitsch. Für die Politikwissenschaftlerin Borucki ist bezahlbarer Wohnraum eine der großen sozialen Herausforderungen in Deutschland: "Die eigenen vier Wände bilden die Grundlage für eine sichere Existenz. Hier ist der Staat in der Pflicht - das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht." Die Angst vor unbezahlbarem Wohnraum fragt die Studie seit 2022 ab, schon damals landete sie auf Platz zwei. In diesem Jahr blicken vor allem die Westdeutschen besorgt auf die angespannte Lage am Wohnungsmarkt (62 Prozent), im Osten sind es 52 Prozent.

Schuldenbremse, Haushaltsstreit - die fetten Jahre sind vorbei. Das spüren auch die Bürger. Insgesamt 57 Prozent der Befragten fürchten, dass der Staat dauerhaft Steuern erhöht oder Leistungen kürzt - Platz drei der Studie. "Die aktuellen Sparpläne sind ständig in den Medien präsent. Diese Sorge hat also einen ganz realen Hintergrund", sagt Borucki.

Angst vor Rezession sinkt

Umso bemerkenswerter ist ein anderes Ergebnis. "Trotz des Konjunktureinbruchs und düsterer Prognosen für Deutschland ist die Furcht vor einer schlechteren Wirtschaftslage im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen - so deutlich wie keine andere Angst in diesem Jahr", berichtet Brower-Rabinowitsch. Die Sorge ist um sechs Prozentpunkte gesunken. Jeder zweite Befragte (51 Prozent) hat Angst vor einer Rezession - Platz fünf im Ranking (2022: 57 Prozent, Platz drei). "Angesichts der vielen aktuellen Krisen rücken für die Befragten individuelle Sorgen in den Fokus: die Angst vor Wohlstandsverlust oder um die eigene Existenz", ordnet Borucki ein. "Sie überlagern das komplexe Thema Rezession."

Zuwanderungsthemen gewinnen im Westen an Bedeutung

Am deutlichsten gestiegen ist die Sorge, dass die Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert. Sie legt im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozentpunkte zu (56 Prozent, Platz vier). Auffällig: Bisher war diese Angst im Osten immer deutlich größer als im Westen. Das ändert sich in diesem Jahr. In Westdeutschland nimmt sie um 13 Prozentpunkte zu, in Ostdeutschland bleibt sie unverändert. Damit ist sie im Westen mit 56 Prozent erstmals größer als im Osten (54 Prozent). "Aus einer überwiegend ostdeutschen Sorge ist damit ein Thema geworden, das die Menschen überall in Deutschland gleichermaßen bewegt. Die Befragten haben Angst, dass die Integration nicht gelingt", erklärt Borucki. "Diese Entwicklung muss die Politik ernst nehmen und Lösungen aufzeigen, damit Migration als Chance und nicht als Bedrohung erlebt wird."

Eine ähnliche Steigerung zeigt sich bei der Angst, dass das Zusammenleben zwischen Deutschen und den hier lebenden Migranten durch einen weiteren Zuzug von Menschen aus dem Ausland beeinträchtigt wird. Sie liegt mit 47 Prozent auf Platz zwölf (2022: 37 Prozent, Platz 16).

Trotz des klaren Anstiegs: Beide Sorgen bleiben ganz deutlich unter ihren Höchstwerten von 2016. Zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle fürchteten zwei von drei Befragten, dass der Staat überfordert ist und es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen kommt.

Spaltung der Gesellschaft macht vielen Angst

Jeder zweite Deutsche hat Angst, dass die Spaltung der Gesellschaft zunimmt und zu Konflikten führt. Diese Frage wurde neu in die Studie aufgenommen und ist direkt in den Top Ten gelandet (Platz acht). "Eine gewisse Spaltung in verschiedene Lager gibt es in Deutschland schon lange, etwa in links-rechts, arm-reich oder Stadt-Land", sagt Borucki. "Dazu kommt eine neue Konfliktlinie: Für die eine Gruppe sind konservative Werte und die Verwurzelung in Deutschland wichtig. Die anderen sind eher weltoffen und treten für freiheitliche Werte ein. Diese Spaltung wird zunehmend sichtbar."

Das Vertrauen in die Politik sinkt, auch das zeigt die Langzeitstudie deutlich. Gut jeder zweite Befragte (51 Prozent) fürchtet, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind. Diese Sorge nimmt im Vergleich zum Vorjahr spürbar zu und rückt auf Platz sechs im Ängste-Ranking vor (2022: 44 Prozent, Platz zehn). "Deutschland ist im Krisenmodus. Hier erwarten die Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähige Lösungen vom Staat, die klar kommuniziert werden. Stattdessen erleben sie ungefilterten Dauerstreit in der Ampel und eine schwache bürgerliche Opposition", analysiert Isabelle Borucki. Entsprechend schlecht auch das Zeugnis der Deutschen für ihre Politiker. Im Schnitt vergeben sie die Schulnote 3,9 (2022: 3,7). "Das generell sinkende Vertrauen in die Politik sollte bedenklich stimmen, da es auf eine langsame Gefährdung der Demokratie hindeuten kann", warnt die Professorin.

Angst vor dem Klimawandel: Höchststand im Westen

Heftige Unwetter in Deutschland, Hitzewellen und Überschwemmungen in Europa: Die Umweltsorgen bleiben auf hohem Niveau. Große Angst vor den Folgen des Klimawandels hat fast die Hälfte der Deutschen (47 Prozent, Platz zehn). Auf Platz elf folgt die Sorge, dass Naturkatastrophen immer häufiger auftreten (47 Prozent). "Spannend ist der Blick auf die Angst vor dem Klimawandel im Ost-West-Vergleich", stellt Studienleiter Brower-Rabinowitsch fest. "Wir beobachten hier eine gegenläufige Entwicklung: 2023 erreicht diese Angst in Westdeutschland mit 49 Prozent ihren bisherigen Höchststand. In Ostdeutschland hat sie mit 40 Prozent ihre bislang geringste Ausprägung." Die Furcht vor dem Klimawandel wird seit 2018 in der Studie abgefragt.

Weitere Ergebnisse der Studie

Trotz aller Krisen: Beim Thema Arbeitslosigkeit bleiben die Deutschen recht entspannt. Lediglich ein Drittel der Menschen befürchtet, dass bundesweit die Arbeitslosenzahlen steigen. Und nur jeder Vierte hat Angst, den eigenen Job zu verlieren. 2022 erreichte diese Angst mit 22 Prozent den niedrigsten Stand seit Beginn der Studie vor 31 Jahren.

Belastungen durch EU-Schuldenkrise (Platz 7): Die Hälfte der Deutschen hat Angst, dass die EU-Schuldenkrise höhere Steuern nach sich zieht.

Pflegebedürftigkeit (Platz 9): Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, in Deutschland sind derzeit rund fünf Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen. Entsprechend nimmt diese Furcht spürbar zu. Sie erreicht mit 48 Prozent einen Platz in den Top Ten.

Autoritäre Herrscher gewinnen an Macht (Platz 14): 46 Prozent der Befragten fürchten, dass weltweit autoritäre Herrscher auf dem Vormarsch sind.

Krieg mit deutscher Beteiligung (Platz 15): Der Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert an. Die Furcht, Deutschland könnte zur Kriegspartei werden, bleibt mit 43 Prozent weiter hoch (2022: 42 Prozent).

Angstindex in Ost und West: Die Menschen im Westen zeigen sich in diesem Jahr sorgenvoller als die im Osten. Damit dreht sich die klassische Ängste-Verteilung um. Erst zum zweiten Mal liegt der Durchschnitt aller Ängste in Westdeutschland (45 Prozent) höher als in Ostdeutschland (44 Prozent).

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