Verkürzte Abwicklungszeit für Wertpapiergeschäfte - wie reagiert Deutschland?
Nachdem die USA eine verkürzte Abwicklungszeit für Wertpapiergeschäfte angekündigt hatten, war klar: International tätige Banken, Börsen und Clearinghäuser müssen sich auf die neuen Regeln einstellen. Nun hat auch die britische T+1-Task-Force angedeutet, dass es bei dem für Ende Q1 2024 erwarteten Plan nicht mehr um die Frage geht, ob T+1 in Großbritannien umgesetzt wird, sondern vielmehr um das "Wann" und "Wie". Damit sind die europäischen Märkte unter Zugzwang. Zwar ist die Umsetzung in der EU deutlich komplexer, für deutsche Marktteilnehmer gibt es jedoch eine pragmatische Lösung.
„Die deutschen Marktteilnehmer überarbeiten bereits ihre Prozesse und Systeme im Hinblick auf die neuen US-Settlement-Zyklen. Die Überlegungen der britischen Task-Force und der ‚Call of Evidence‘ der ESMA zeigen nun aber, dass die bisherigen Schritte nicht ausreichen. Die EU und vor allem Deutschland müssen sich verstärkt um die Harmonisierung und Digitalisierung der sehr heterogenen Wertpapierabwicklungslandschaft in Europa kümmern“, sagt Jan Stelzer, Manager bei der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro. Der Finanzmarktexperte warnt vor einer zu komplexen Marktinfrastruktur: „Der Handel verlagert sich dorthin, wo schnelle und kostengünstige Transaktionen gewährleistet sind. Europa sollte sich hier richtig positionieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Stelzer.
USA und Großbritannien stellen auf T+1 um
Zur Risikominimierung und Optimierung des Kapitaleinsatzes haben die USA zum 28. Mai 2024 ein sogenanntes T+1-Settlement vorgeschrieben. Dies bedeutet, dass der Abwicklungszyklus im Wertpapierhandel inklusive Eigentumsübertragung nicht mehr am zweiten Tag nach Abschluss eines Handelsgeschäfts (T+2), sondern einen Handelstag früher erfolgen muss. Um den Zeitplan einhalten zu können, ist eine optimal abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Käufern und Verkäufern sowie den zahlreichen Intermediären wie Verwahrstellen und Clearinghäusern erforderlich. Die Briten wollen sich dem amerikanischen Vorbild anschließen und im ersten Quartal 2024 einen Plan zur Umstellung auf T+1-Settlement veröffentlichen.
„Großbritannien ist einer der größten Handelsplätze für Devisen und Anleihen auf der Welt. Für die deutschen Marktteilnehmer bedeutet das: Sie müssen sich von der T+2-Welt lösen und ihre Prozesse und Systeme proaktiv auf die neue, schnelle Börsenwelt vorbereiten“, sagt Kapitalmarktexperte und Cofinpro-Manager Jonas Prokopp. Künftig könnten bei verspäteten Transaktionen empfindliche Strafen und Sanktionen drohen.
Eigene Roadmap statt Warten auf die EU
Aufgrund der Fragmentierung der Finanzmärkte in Europa ist Prokopp zufolge eine koordinierte Umstellung der europäischen Handelsplätze zunächst nicht zu erwarten. Zwar arbeite die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) bereits an Maßnahmen, um die Abwicklungszyklen zu beschleunigen, der große Wurf sei aber nicht zu erwarten: „Statt auf Europa zu hoffen, müssen die Banken in Deutschland selbst aktiv werden und gemeinsam mit ihren Partnern die Abwicklung optimieren.“
Cofinpro-Manager Stelzer empfiehlt daher eine Roadmap mit klar definierten Zielen und Projekten zur Ablösung manueller und papierbasierter Tätigkeiten. „Die Prozesskette sollte im Rahmen eines umfassenden Digitalisierungsprojektes überarbeitet werden, um die bestehenden Systeme, Prozesse und Technologien anzupassen und zu optimieren. Damit die Handels-, Clearing- und Abwicklungsplattformen in Zukunft weitgehend automatisiert betrieben werden können, ist eine enge Integration notwendig. Damit einher geht auch die Aktualisierung bestehender Verträge und SLAs mit Intermediären sowie die Klärung offener Fragen im Zahlungsverkehr. So ist beispielsweise eine Anpassung der SEPA-Zahlungsverkehrsabwicklung notwendig“, so Finanzmarktexperte Stelzer.