Finanzinstitute haben Vorbehalte gegenüber KI
Immer mehr Aufgaben lassen sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) schneller und effizienter erledigen – das gilt auch für das Bankwesen. Aktuell fehlen seitens des Regulators jedoch konkrete Vorgaben und Regularien für einen flächendeckenden Einsatz von Programmen wie ChatGPT. “ChatGPT ist ein Gamechanger für die Branche”, sagt Yves Wüppenhorst von der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro: “Die Anwendung macht KI greifbarer und erlebbarer. Sie arbeitet hocheffizient und ist sieben Tage die Woche 24 Stunden einsatzbereit. Allerdings bedarf es weiterhin einer Validierung des Outputs.”
Absehbar ist, dass in den kommenden Monaten ähnlich leistungsfähige neue KI-Anwendungen auf den Markt kommen werden. Daher sollten die Banken ihre übliche Zurückhaltung bei neuen Technologien aufgeben und schnell Einsatzmöglichkeiten ausloten: “Die neuen KI-Anwendungen sind nicht mit den holprigen Chatbots der vergangenen Jahre zu vergleichen. Sie sind kreative und effizienzsteigernde Helfer im Alltag, die wohl die disruptivste Technologie der letzten Jahre darstellen. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kann es sich keine Bank leisten, diesen Trend zu verschlafen”, gibt Michael Heck, ebenfalls Branchenexperte bei Cofinpro zu Bedenken.
Mitarbeiter an KI heranführen
Auf Kundenseite hat nach Ansicht des Cofinpro-Beraters bereits ein Umdenken stattgefunden: “Früher fremdelten viele User mit KI-Assistenten, heute gibt es deutlich weniger Berührungsängste. Jüngere Nutzer sind oft sehr offen gegenüber der Interaktion mit einer KI.” Banken sollten diesen Trend berücksichtigen und offensiv die Einführung von KI-Anwendungen umsetzen.
Im ersten Schritt sollten Mitarbeiter mit den Möglichkeiten einer KI vertraut gemacht werden. Banken haben in der Vergangenheit weniger innovationsorientiert gearbeitet, sondern sich eher auf Produkte und Prozesse fokussiert. Nun gilt es, einen neuen Ansatz zu wählen, bei dem digitale Innovationen im Rahmen eines Kulturwandels schrittweise integriert werden. “Anwendungen wie ChatGPT sind zunächst mit einfachen Anwendungsfällen auszutesten. Statt nur über Trends zu reden, sollten Institute ihre Mitarbeiter ermutigen und das Tool für gezielte Use Cases in eine Testphase nehmen”, empfiehlt Michael Heck. “ChatGPT könnte beispielsweise in einem ersten Schritt neue Möglichkeiten im Bereich der Aus-, Weiterbildung oder des First Level Supports für Berater bieten.”
Use Cases schaffen und Innovationslabore einrichten
Im zweiten Schritt lohnt es sich, Use Cases zu identifizieren, die ohne große Hürden umgesetzt werden können: Noch limitiert der Regulator viele Anwendungsmöglichkeiten im Finanzbereich durch mangelnde Vorgaben. Den Banken bleiben dennoch genügend Einsatzmöglichkeiten für KI-Anwendungen, beispielsweise in der internen Weiterbildung, verschiedenen Backoffice-Prozessen oder auch in der Unterstützung von allgemeinen Informations- und Beratungsgesprächen.
Als dritte Empfehlung nennt Heck Innovationslabore für die Zukunft des Bankings: Die Stärken einer KI liegen darin, in großen Datenmengen Muster und Trends aufzuspüren. Damit ist das Tool ideal, um maßgeschneiderte Angebote zu erstellen oder Prozesse anzustoßen: “So könnte man beispielsweise Kundenmuster erkennen und über Trendanalysen passende Produktempfehlungen ermitteln. Damit wäre ein Berater optimal vorbereitet, um den Kunden proaktiv anzusprechen.” Solche Anwendungen können jetzt schon in den Innovation Labs der Banken entwickelt und ausprobiert werden.
KI-Anwendungen wie ChatGPT werden menschliche Berater natürlich auch langfristig nicht ersetzen, aber sie reifen zu einem wichtigen und wettbewerbsentscheidenden Werkzeug in einer hybriden Arbeitswelt. “Was der Maschine heute und auf absehbare Zeit noch fehlt, sind Emotionen. Vertrauensvolle Gespräche bleiben daher die Domäne des Bankberaters, der aber zunehmend von KI unterstützt wird”, meint Branchenexperte Yves Wüppenhorst.