Aktualisiert am 22.09.2022
Das Katalog-Prinzip aus den 90er wird modernisiert und gepimpt
„Buy now, pay later“ (BNPL) heißt auf Deutsch nichts anderes als jetzt kaufen und später bezahlen. Dabei handelt es sich praktisch um eine moderne Bezeichnung für den klassischen Rechnungskauf, wie man ihn unter anderen aus den Quelle- und Otto-Katalogen kannte. Das Prinzip funktioniert wie folgt: Sie bestellen online zum Beispiel eine neue Jacke. Diese wird zu Ihnen nach Hause geliefert. Dort können Sie die Jacke anprobieren und begutachten. Sollte Ihnen das Kleidungsstück nicht passen oder finden Sie Mängel daran, haben Sie die Möglichkeit, die Jacke wieder zurückzuschicken. Zu diesem Zeitpunkt haben Sie noch keinen Cent bezahlt.
Bei einer Retoure geben Sie beim jeweiligen Payment-Anbieter an, dass Sie die Ware zurückgeschickt haben. Daraufhin wird die Rechnung eingefroren. Sobald die Rücksendung beim Online-Händler eingegangen ist, wird der Preis aktualisiert beziehungsweise die Rechnung storniert. Wenn Sie die Ware behalten, haben Sie in der Regel 14 Tage Zeit, um die Rechnung zu begleichen. Dafür fallen keine zusätzlichen Gebühren an. Die Rechnung wird vom Payment-Dienstleister in der Regel per Mail an Sie versendet, sobald die Ware vom Online-Händler losgeschickt wurde.
Vorteile für Kunden und Händler
Kunden profitieren in vielerlei Hinsicht von dem Rechnungskauf 2.0. Sie können sich die Ware erst in Ruhe ansehen, bevor Sie diese zahlen müssen. Zudem gilt die Bezahlung per Rechnung als sehr sicher, da keine persönlichen Daten wie Kontonummer oder Kreditkartennummer angegeben werden müssen.
Auch der Online-Händler profitiert vom Später-kaufen-Prinzip. Zum einen kann er die Rechnungsabwicklung komplett an einen Dienstleister auslagern, zum anderen gewinnt er somit neue Kunden. Online-Händler, die einen Kauf auf Rechnung anbieten, wirken seriös. Aus Gastbestellern können so Stammkunden werden. Zudem ist die Abbruchquote während des Bestellvorgangs deutlich geringer als bei Shops, die keinen Kauf auf Rechnung anbieten.
Aufgeschobene Zahlungen sind nicht aufgehoben
Was bequem und praktisch klingt, hat aber auch eine Schattenseite. Denn „Buy now, pay later“ ist nichts anderes als ein revolvierender Kredit. Wenn Sie den Rechnungsbetrag auf einmal und innerhalb der Frist begleichen, ist in der Regel alles gut. Sollten Sie einen Aufschub brauchen oder von den angebotenen Ratenzahlungen Gebrauch nehmen, warten hohe Sollzinsen von bis zu 15 Prozent auf Sie. Zudem kann für den flexiblen Ratenkauf eine monatliche Gebühr berechnet werden. Versäumen Sie die Bezahlung kommen noch Mahngebühren obendrauf. Daher sollten Sie immer im Hinterkopf behalten: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Bezahlen Sie Ihre Rechnungen fristgerecht und wenn möglich immer in einer Rate.
Identitäts- und Bonitätsprüfung
Wer auf Rechnung bezahlt, muss in der Regel eine Bonitätsprüfung in Kauf nehmen. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass die angegebenen Daten korrekt sind. Zum anderen soll vor allem beim Ratenkauf so eine mögliche Überschuldung verhindert werden. Dadurch wird eine Bonitätsprüfung bei einer Wirtschaftsauskunftei durchgeführt.
JUNGE ZIELGRUPPEN NUTZEN BNPL
Zahlreiche Studien zum Thema BNPL zeigen, dass die Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen (GenZ und Millennials) bis zu 70 Prozent der BNPL-Nutzer ausmacht. Es liegt in der Natur der Sache, dass vor allem junge Zielgruppen größere Herausforderungen haben, ihre Liquidität sicherzustellen. Mit BNPL erhalten diese Nutzer einen einfachen Zugang zum Raten- und Rechnungskauf. In Deutschland wird mittlerweile jede fünfte Online-Bestellung über BNPL abgewickelt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist das Später-Bezahlen-Prinzip hierzulande und in Schweden am weitesten verbreitet. Laut Branchenexperten wächst die Zahl der Nutzer weltweit um rund 30 Prozent pro Jahr.
KRITIK AN BNPL
Das BNPL-Prinzip ist aber auch in die Kritik geraten: junge Verbraucher würden dadurch verleitet, mehr Produkte zu kaufen, als sie sich leisten könnten. In den sozialen Medien waren verstärkt Posts aufgetaucht, wo junge Nutzer mit ihren vierstelligen Klarna-Schulden geprahlt hatten. Nun will die EU den Markt für “Buy Now, Pay Later” stärker regulieren. Für Kleinkredite von Klarna und Co. sollen schon bald strengere Regeln gelten. EU-Kommission, Parlament und Rat haben mit Verhandlungen begonnen, um die Verbraucherkreditrichtlinie zu überarbeiten. Lücken, die BNPL-Anbieter bisher genutzt haben, sollen geschlossen werden. Laut einem Bericht des Handelsblatts ist geplant, dass auch BNPL-Kredite unter 200 Euro eine Bonitätsprüfung erfordern. Bisher ist das nicht so. Anbieter wie Klarna konnten daher ihre Online-Schnellkredite einfach in Online-Shops integrieren. Neben der Bonitätsprüfung könnten auf BNPL-Anbieter auch neue Informationspflichten zukommen. Das würde bedeuten, dass Nutzer beispielsweise vor dem Abschluss einer Ratenzahlung viel Text zu lesen bekämen.
Allerdings sollte in der Diskussion nicht vergessen werden, dass etwa bei Klarna nur drei Prozent der Rechnungen in Deutschland per Ratenkauf beglichen werden. Die große Mehrheit der Zahlungen über Klarna erfolgt per Sofort- und Rechnungskauf. Die Politik treibt aktuell die Sorge um, dass sich angesichts der Wirtschaftskrise immer mehr Menschen durch viele kleine Online-Kredite im Netz verschulden könnten.
HÖHERE VERLUSTE BEI BNPL-ANBIETERN
Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass die BNPL-Anbieter selbst auf die wirtschaftlich schwierige Situation reagieren und ihr Geschäftsmodell anpassen werden. Denn säumige Kunden, die ihre Raten nicht bezahlen, sind auf Dauer auch für Klarna und Co. unattraktiv. So verzeichnete Klarna laut einem Bericht des Handelsblatts im ersten Halbjahr 2022 Nettokreditverluste in Höhe von 2,85 Milliarden Kronen (rund 270 Millionen Euro) - mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Sollte der wirtschaftliche Druck auf die BNPL-Anbieter weiter wachsen, ist es durchaus möglich, dass sie künftig nicht mehr das komplette Ausfallrisiko selbst übernehmen werden.
USA sind größter Markt für Mini-Kredite
Mittlerweile sind Mini-Kredite, die über “Buy Now, Pay Later”-Anbieter wie Afterpay, Klarna oder Paypal angeboten werden, in den USA sehr beliebt. Das Land ist heute der größte Markt für Mini-Kredite, in diesem Jahr soll ihr Volumen rund 80 Milliarden Dollar übersteigen (73 Milliarden Euro). Verlockend für die Verbraucher ist dabei, dass die BNPL-Anbieter für den Kunden die volle Summe überweisen und das Geld danach vom Kunden nach und nach zurückerhalten - ohne dass Zinsen fällig werden. Damit unterscheiden sich die Später-bezahlen-Angebote von einer herkömmlichen Kreditkarte, die mit einer Zinszahlung verbunden ist.
Laut aktuellen Umfragen hat jeder zweite erwachsene Amerikaner schon einmal mit BNPL-Diensten bezahlt. Die Später-bezahlen-Anbieter werden von den Einzelhändlern und Restaurants bezahlt, mit denen sie zusammenarbeiten. So verdienen sie an jedem Einkauf, der Kunde selbst muss aber keinen Aufpreis für den gewährten Mini-Kredit bezahlen.
Verdrängt BNPL die Kreditkarten?
Für die Kreditkarten-Anbieter wie Visa, Mastercard und American Express, die lange Zeit die Platzhirsche für die Alltagsdarlehen der Amerikaner waren, könnte der neue BNPL-Trend gefährlich werden. Denn Umfragen zufolge wollen vier von zehn amerikanischen BNPL-Nutzern in absehbarer Zeit ihre Kreditkarten abgeben und ihr Leben ausschließlich über die Später-bezahlen-Apps finanzieren. Auch die amerikanischen Banken sind von dieser Entwicklung betroffen. Laut einer McKinsey-Analyse mindern die BNPL-Anbieter den jährlichen Umsatz der Bankenbranche um acht bis zehn Milliarden Dollar. Einige Banken haben jetzt reagiert: so bietet JPMorgan Chase, die größte US-Bank ihren Kunden seit kurzer Zeit ebenfalls zinslose Mini-Kredite an, allerdings erst ab einer Transaktionssumme von 100 Dollar.
„Buy now, pay later“-Anbieter im Überblick
Afterpay
Afterpay ist ein australischer Payment-Anbieter, bei dem Sie als Kunde die Rechnung per Überweisung, Lastschrift oder Ratenzahlung begleichen können. Den aktuellen Zahlungsstatus können Sie jederzeit unter MyAfterPay einsehen.
Hierzulande ist Afterpay noch weniger bekannt. Im vergangenen Geschäftsjahr generierte das Unternehmen aber umgerechnet 318 Millionen Euro Umsatz – eine Steigerung von knapp 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut eigenen Angaben verzeichnet Afterpay mittlerweile 9,9 Millionen aktive Kunden.
Apple Pay Later
Apple Pay Later ist das neue Später-Bezahlen-Angebot des iPhone-Herstellers Apple. Mit Pay Later können Apple-Nutzer überall dort einkaufen, wo Apple Pay unterstützt wird und die Kosten für ihren Einkauf auf vier Zahlungen aufteilen. Die Zahlungsfrist beträgt sechs Wochen, es fallen weder Zinsen noch Gebühren an. Apple Pay Later wird langfristig überall verfügbar sein, wo Apple Pay akzeptiert wird. Zunächst wird das BNPL-Angebot von Apple in den USA gestartet.
Billpay
Billpay gehört mittlerweile zur Klarna Group Company. Auch hier können Sie die Rechnung per Überweisung, Lastschrift oder in drei bis 24 Monatsraten bezahlen.
Klarna
Der schwedische Konzern Klarna ist in Europa mit 1,08 Milliarden Dollar Umsatz (2020) der Platzhirsch auf dem BNPL-Markt. Bewertet wird Klarna mittlerweile mit rund als 70 Milliarden Dollar. Bei Klarna können Sie die Rechnung per Überweisung begleichen. Ein Ratenkauf wird ebenfalls angeboten. Ab einem Betrag von 200 Euro müssen Sie mit dem Dienstleister einen Ratenkaufvertrag abschließen.
Paypal
Paypal bietet zwar keinen Rechnungskauf, dafür aber die Möglichkeit zur Ratenzahlung an. Ab einem Bestellwert von 99 bis 5.000 Euro können Sie den Betrag in zwölf Monatsraten abstottern. Der effektive Jahreszins liegt bei 9,99 Prozent und der feste Sollzinssatz bei 9,56 Prozent. Eine Sondertilgung oder eine vorzeitige Rückzahlung ist jederzeit und ohne zusätzliche Gebühren möglich. In Ihrem PayPal-Konto haben Sie die Ratenzahlung immer im Blick. Weiter Pluspunkt: Auch bei der Option „Zahlung auf Rate“ profitieren Sie vom Paypal-Käuferschutz.
Unzer Payments
Unzer Payments bietet E-Commerce-Händlern die Möglichkeit, Rechnungskauf, Ratenzahlung, SEPA-Lastschrift und Direktüberweisung als eine White-Label-Lösung anzubieten. Unzer Payments gehört zu Unzer, einem Fintech, das bis vor kurzem noch unter dem Namen Heidelpay bekannt war.
Mit einem Großinvestor an der Seite will der Zahlungsdienstleister zu einem der Top-Anbieter in Europa aufsteigen. 2019 stieg der Finanzinvestor KKR mehrheitlich in das Unternehmen mit ein. Dafür hat KKR 600 Millionen Euro hingelegt. 2020 peilt Unzer einen Umsatz von über 100 Millionen Euro an. Laut eigenen Angaben wickelte der Zahlungsdienstleister 2019 für rund 30.000 Händler rund sieben Milliarden Euro Transaktionsvolumen ab.
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