04.08.2023
Herr Adomeit, Herr Leidinger, worum geht es in Ihrem Buch „Ohne Aktien Wird Schwer“?
Florian Adomeit: In dem Buch versuchen wir die Grundlage der Aktienanalyse zu erklären. Wir fangen auf den ersten 40 Seiten mit den kompletten Basics an. Was ist eine Aktie? Wieso sollte man investieren? Woher kommt eigentlich die Rendite an der Börse? Danach geht’s in das Herzstück, wo wir anhand von echten Firmen wie Air Berlin, Google oder Apple erklären, wie Aktienanalyse funktioniert. Was bedeutet eigentlich die Bruttomarge? Wann ist eine Firma überschuldet? Wie findet man heraus, ob eine Aktie teuer oder günstig ist. Ganz im Stil unseres Podcasts “Ohne Aktien Wird Schwer” haben wir das aber nicht einfach trocken erklärt, sondern auch immer die Geschichten der Firmen erzählt. Und auch Dinge, die man vielleicht gar nicht weiß: Dass McDonald’s zum Beispiel den Großteil seines Geldes gar nicht mit Burgern verdient, sondern mit der Vermietung von Immobilien.
An wen richtet sich das Buch?
Noah Leidinger: Dadurch, dass das Buch wirklich mit den kompletten Basics startet, richtet es sich auch an blutige Anfänger*innen. Vor allem haben wir das Buch aber für all jene geschrieben, die sich schon für Aktien interessieren, aber nochmal tiefer einsteigen wollen. Bei uns im Podcast fehlt oft die Zeit, um die Dinge wirklich mal von Anfang an ausführlich zu erklären. Genau das haben wir im Buch gemacht. Am Schluss machen wir sogar eine komplette Discounted-Cashflow-Analyse – man lernt also wirklich wie Investmentbanker*innen und Co. Aktien bewerten.
Die Komplexität und der mathematisch anmutende Charakter von Aktienanalysen kann Laien oft von einem Engagement an der Börse abschrecken. Ist Ihr Buch auch für Menschen geeignet, für die Mathematik in der Schule immer ein Kampf war?
Florian Adomeit: Absolut, es gibt zwar immer wieder Kennzahlen. Von der mathematischen Komplexität hält sich das aber in Grenzen. Meistens ist es eine einfache Division oder Multiplikation. Mehr muss man mathematisch gesehen gar nicht können. Und es geht bei Aktienanalyse eben auch viel um “weichere Faktoren”. Auch die versuchen wir im Buch durch die ganzen Beispiele gut abzudecken. Es geht beispielsweise auch darum, dass man die Firmenkultur einschätzt, sich Gedanken über das Geschäftsmodell oder die Zukunftsperspektiven macht. Das hat erstmal gar nichts mit Zahlen zu tun.
Es gibt so viele Bücher zum Thema „Aktien“. Warum wollten Sie noch ein weiteres Buch zu dieser Thematik schreiben? Was unterscheidet Ihr Buch von anderen Aktienbüchern?
Noah Leidinger: Es gibt viele Bücher, die ganz bei den Basics anfangen und es auch dort belassen. Der YouTube-Kanal “Finanzfluss” ist beispielsweise eine gute Anlaufstelle dafür, um wirklich die wichtigsten Grundlagen der Börse kennenzulernen. Auf der anderen Seite gibt es dann sehr viel “nerdige” Literatur zur Analyse von Einzelaktien. Allerdings ist die meistens ziemlich trocken und arbeitet mit fiktiven Beispielen wie der ABC GmbH. Unser Ansatz war es, ein Buch zu schreiben, das diese Lücke füllt. Eins, das auch für Anfänger*innen geeignet ist, trotzdem inhaltliche Tiefe hat und durch die vielen Beispiele und Geschichten aus der echten Wirtschaft hoffentlich nicht allzu langweilig wirkt. Wir erzählen zum Beispiel auch die Geschichte, dass die Airbnb-Gründer mal Cornflakes verkauft haben, um ihr Startup zu finanzieren. Für die Aktie ist das erstmal egal. Aber es macht das Buch lesenswerter und spannender.
Mal ganz platt gefragt: Warum wird es ohne Aktien schwer?
Florian Adomeit: Wenn man sich mal die Demografie anschaut, dann nimmt die durchschnittliche Lebenserwartung immer weiter zu. Die Geburtenrate stagniert aber oder sinkt sogar. Die Folge: Es gibt immer mehr Leute, die in Rente gehen, aber immer weniger Leute, die ins Rentensystem einzahlen. Wer also heute 20, 30 oder 40 Jahre alt ist, kann sich nicht sicher auf eine auskömmliche staatliche Rente verlassen. Wer im Alter finanzielle Sicherheit haben will, muss selbst vorsorgen. Aktien sind ein super Mittel dafür. Denn sie sind liquide, haben historisch gesehen eine sehr gute Rendite abgeworfen und ganz nebenbei lernt man grade bei Einzelaktien noch viel über Wirtschaft, was einem alleine beruflich schon sehr viel bringt.
Sie sind beide Hosts von bekannten Podcasts. Wie kam es zu der Idee, gemeinsam dieses Buch zu schreiben?
Noah Leidinger: Die Idee ist ursprünglich entstanden, weil uns der Verlagsleiter vom Econ-Verlag angesprochen hat. Erstmal waren wir skeptisch, weil es eben schon sehr viele Aktienbücher gibt. Dann haben wir allerdings intensiver überlegt und uns ist die Lücke in der Literatur aufgefallen, die wir vorher auch schon erläutert haben. Sobald das Konzept stand, hatten wir beide Bock auf das Projekt, weil es so ein Buch noch nicht gibt. Und durch die vielen Geschichten aus dem Podcast hatten wir auch eine sehr gute Grundlage. Wir haben uns in den letzten Jahren hunderte Firmen angeschaut und wussten daher recht gut, anhand von welchen Beispielen man welchen Sachverhalt am besten erklären kann.
Herr Leidinger, warum war Florian Adomeit der perfekte Co-Autor für dieses Buch?
Noah Leidinger: Flo und ich arbeiten ja schon sehr eng zusammen, seitdem wir beide 2021 bei OMR gestartet haben. Neben unseren Podcastsverwalten wir bei OMR X, dem Startup-Vertical von OMR, zum Beispiel auch die Startup-Investments. Flo ist fachlich enorm stark, und zwar auch in den kleinsten Details. Durch seine Arbeit an der Universität hat er einfach sehr tiefe Einblicke – auch was Themen wie die Bilanzierung angeht. Dazu kommen einfach seine starken analytischen Fähigkeiten und dass er auch komplexe Themen wie Technologien sehr schnell verstehen kann. Gleichzeitig hat er einfach eine große Leidenschaft für Wirtschaft und unternehmerische Geschichten – diese Passion kommt auch im Buch und im Podcast rüber, was wohl auch viele Leser*innen und Hörer*innen anzieht.
Herr Adomeit, welche Expertise und welche Perspektive hat Noah Leidinger in dieses Buchprojekt eingebracht?
Florian Adomeit: Noah hat eine schnelle Auffassungsgabe, die es ihm erlaubt, auch komplexe Sachverhalte schnell zu durchdringen. Am bemerkenswertesten finde ich allerdings, dass er diese sehr gut runterbrechen kann, sodass auch Laien sie verstehen. Er hat einfach ein gutes Gespür, wie sich trockene Fakten durch Geschichten aus der echten Börsenwelt mit Leben füllen lassen. Da zeigt sich, dass er sich nicht erst seit gestern mit den Themen Aktien und Wirtschaft auseinandersetzt, sondern auf längere Erfahrung als Freelance-Redakteur zurückgreifen kann. Hinzu kommt die krasse Arbeitsmoral, die Noah an den Tag legt. Das hat mich stark motiviert, mich selbst hinzusetzen, auch wenn sich die Lust zu Schreiben mal in Grenzen gehalten hat. Du willst einfach nicht, dass dein Co-Autor morgens anfängt und feststellt, dass du am Abend zuvor nichts zu Papier gebracht hast. Also setzt du dich hin und schreibst. Egal, wie müde du bist.
Herr Adomeit, wann haben Sie in Ihrem Leben die erste Aktie gekauft? Um welche Aktie handelte es sich? Und bei Ihnen Herr Leidinger? Wie alt waren Sie bei Ihrem ersten Aktienkauf? In welches Unternehmen haben Sie investiert?
Florian Adomeit: Ich weiß nicht mehr ganz genau, wie alt ich war, als ich meine erste Aktie gekauft habe. Das muss irgendwann im Laufe meines Studiums gewesen sein. An der Uni wird ja immer gepredigt: Die Börse ist effizient, und jeder Versuch, besser als der Markt abzuschneiden, ist zum Scheitern verurteilt. Demnach ist die Analyse von Quartalszahlen eigentlich Zeitverschwendung. Wer stattdessen in einen breit gestreuten ETF mit geringen Gebühren investiert, der spart Geld und Nerven. Das klang zwar nicht besonders aufregend, aber einleuchtend. Also habe ich ein paar Hundert Euro genommen und in einen MSCI World gesteckt. Die Erfahrung war allerdings alles andere als langweilig. Denn direkt nachdem die Order ausgeführt war, begann sich der Wert meines Investments im Sekundentakt zu bewegen. Mal nach oben. Mal nach unten. Dabei ging’s zwar immer nur um ein paar Euro, aber das hat ausgereicht, dass ich meine Augen nicht mehr vom Bildschirm lösen konnte. Dann bin ich immer weiter in den Kaninchenbau geklettert und habe mit wachsender Erfahrung damit begonnen, in Einzelaktien zu investieren.
Noah Leidinger: Meinen ersten ETF habe ich mit 13 gekauft. Das war ein ganz klassischer Sparplan mit dem MSCI World und MSCI Emerging Markets ETF. Damals habe ich soweit ich mich erinnere 20 Euro pro Monat investiert – also mein komplettes Taschengeld. Meine erste Einzelaktie war tatsächlich der Pharma-Gigant Bayer kurz nach der Monsanto-Übernahme. Ich war der Meinung, dass die Börse die Übernahme zu pessimistisch sieht und die Aktie zu stark gefallen ist. Die Aktie hat sich übrigens nicht mehr erholt. Meine erste Einzelaktie ist also gleich mit einem Verlust gestartet.
Haben Sie das Gefühl, dass sich in der heutigen Zeit junge Menschen früher mit der Geldanlage auseinandersetzen als es bei früheren Generationen der Fall war? Woran liegt das?
Noah Leidinger: Das ist sicher der Fall. Es kommt zum einen dadurch, dass das Thema gerade in der Corona-Zeit an Fahrt gewonnen hat. Wahrscheinlich auch, weil viele Leute damals einfach mehr Zeit zu Hause verbracht haben und ein Teil der Freizeit ist halt auch ins Aktienthema geflossen. Dazu kam dann der Hype um die sogenannten Meme-Aktien wie GameStop oder AMC, die teilweise in wenigen Tagen um Tausende Prozent gestiegen sind. Und auch der Hype rund um Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum hat das Thema beflügelt, weil sich Leute dadurch generell mit dem Thema der Geldanlage auseinandergesetzt haben. Diese Hypes an sich waren natürlich übertrieben und viele haben dabei leider auch Geld verloren. Es gibt aber genug junge Leute, die dadurch zum Aktienthema gekommen sind, sich dann tiefer mit der Materie auseinandergesetzt haben und jetzt immer noch dabei sind. Netto gesehen waren die Hypes also wahrscheinlich sogar positiv. Dazu kommt, dass auch Social Media im Finanzbereich trotz einiger schwarzer Schafe viel Positives bewirkt hat. Die klassische Finanzberichterstattung ist leider oft sehr trocken. Dabei gibt’s an der Börse schon immer sehr spannende Geschichten, die auch eine junge Generation begeistern können. Durch Social Media war’s erstmals auch Leuten außerhalb der klassischen Wirtschaftsredaktionen möglich, über solche Themen zu schreiben und sprechen. Das kommt gut an. Ich selbst bin mit 13 Jahren durch YouTube zum Aktien-Thema gekommen.
Herr Leidinger, kurz vor Ihrem Start bei OMR als Redakteur, haben Sie ein soziales Jahr in Bulgarien absolviert. Soziales Engagement und gewinnorientiertes Investieren an der Börse sind zwei völlig unterschiedliche Lebensphilosophien. Wie erklären Sie sich Ihr eigenes Interesse an beiden Sphären? Warum haben Sie sich damals für das soziale Jahr entschieden? Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Noah Leidinger: Ich komme ja ursprünglich aus Österreich – dort ist der Militärdienst noch verpflichtend. Für mich war allerdings immer klar, dass ich keinen Militärdienst machen will, sondern eine Zivildienst, den ich dann eben in Bulgarien absolvieren konnte, was wirklich eine sehr prägende Erfahrung für mich war. Grundsätzlich hat meine ganze Familie nichts mit Börse zu tun. Meine Eltern haben bis heute keine Aktien. Und tatsächlich arbeiten meine Schwester und auch meine Eltern im Sozialbereich. Daher hatte ich auch immer eine große Nähe zum sozialen Engagement. Dennoch habe ich natürlich auch gesehen, dass man mit Geld und wirtschaftlichem Einfluss sehr viel bewegen kann. Vor allem in Bulgarien ist mir das aufgefallen. Wir haben damals eine kleine Spendenaktion gestartet und insgesamt um die 10.000 Euro eingesammelt. Damit konnte man dann das Jahresgehalt (!) einer Sozialarbeiterin finanzieren, die sich um die Kinder in den Roma-Ghettos von Sofia gekümmert hat. Teilweise kann man mit 100 Euro schon sehr viel bewirken und eben dafür sorgen, dass Familien im 21. Jahrhundert nicht mehr in irgendwelchen Baracken leben müssen. Für mich ist es bis heute ein starker Antrieb, eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen, um dann solche Projekte umzusetzen. Vom Philosophen Peter Singer gibt’s zum Beispiel das Konzept des effektiven Altruismus. Da geht’s zum Beispiel darum, dass es effektiver sein kann, im Investmentbanking zu arbeiten und vielleicht 200.000 Euro pro Jahr zu verdienen als selbst im Sozialbereich zu arbeiten. Denn von den 200.000 Euro kann man dann 160.000 Euro spenden und damit vielleicht vier Sozialarbeiter*innen finanzieren. Ganz so extrem sehe ich es nicht – aber ich kann dem grundlegenden Gedanken schon etwas abgewinnen.
Herr Adomeit, neben Ihrem Engagement als Podcast-Host und Prokurist bei der Beteiligungsgesellschaft OMR X promovieren Sie an der FU Berlin. Was ist das Thema Ihrer Promotionsarbeit? Job, Buchprojekt, Promotion – wie packen Sie das alles in eine normale Arbeitswoche? Wie sieht bei Ihnen der normale Tagesablauf aus?
Florian Adomeit: Ich schaue mir in der Doktorarbeit an, inwiefern Suchmaschinendaten Rückschlüsse auf den Absatz von Autobauern erlauben. Auf gut Deutsch: Wenn in einem Quartal mehr nach BMW gegoogelt wird, deutet das darauf hin, dass BMW in dem Quartal auch mehr Autos verkauft hat? Eine Frage, die übrigens auch für Börsianer interessant sein könnte. Denn wer vor allen anderen weiß, wie das Geschäft einer Firma gelaufen ist, kann damit viel Geld verdienen. Durch Job und Buch kann ich dem allerdings nur abends oder am Wochenende nachgehen. Unter der Woche sieht mein Tag für gewöhnlich so aus, dass ich gegen 9:00 Uhr beginne, die Nachrichtenlage an der Börse zu checken. Um 10:30 Uhr besprechen wir dann in der Redaktion die Themen für die kommenden Folge. Dann beginne ich mit der Recherche, nehme Termine mit Startups wahr und stimme den Papierkram für anstehende Investments ab. Wenn keine Quartalszahlen anstehen, nehmen wir dann gegen 18:30 Uhr den Podcast auf. Sobald wir damit durch sind, habe ich dann am Buch gearbeitet.
Herr Adomeit, Herr Leidinger, Ihr Buch „Ohne Aktien Wird Schwer“ hat sehr schnell die Bestseller-Listen erobert und entwickelt sich zu einem Verkaufsschlager. Denken Sie darüber nach, gemeinsam ein weiteres Buch zu veröffentlichen? Zu welchem Thema?
Noah Leidinger: Wie gesagt waren wir auch anfangs eher skeptisch, bis wir dann ein Konzept gefunden haben, das uns wirklich überzeugt hat. So ein Konzept müssten wir wieder haben. Ein Buch zu schreiben, um noch einen Bestseller im Lebenslauf zu haben, würden wir auf jeden Fall nicht machen. Denn der ganze Prozess ist schon aufwändig und man hat auch eine gewisse Verantwortung – wer sich ein Buch kauft, investiert nicht nur 20 Euro, sondern potenziell auch 10 oder 20 Stunden seiner Lebenszeit. Da sollte man inhaltlich schon etwas zu sagen haben. Zumal es viele andere sehr gute Bücher gibt, denen man sonst eher den Raum lassen soll. Und rein finanziell muss man sagen: Runtergerechnet auf den Stundenlohn ist so ein Buch meistens kein gutes Geschäft.
Herr Adomeit, Herr Leidinger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.