13.11.2020
Herr Link-Arad, Sie sind einer der Gründer von Beyond Saving. Ihr Unternehmen wurde vor kurzem von deutsche-startups zu den 20 wichtigsten Fintechs in Deutschland gezählt. Würden Sie sich als Fintech bezeichnen? Was genau macht Ihr Startup?
Wir wurden tatsächlich als eines der 20 wichtigsten Fintechs bezeichnet. Ich sehe uns persönlich nicht unbedingt als Fintech. Ich verbinde mit Fintech eher Start-Ups, die darauf ausgerichtet sind, bestimmte Prozesse und Dienstleistungen aus der Finanzbranche zu digitalisieren. Das machen wir nicht. Ich sehe uns eher als Education Technology Start-Up, also als Edtech. Wir wollen das Thema Wissensvermittlung, Finanzbildung digitalisieren und modernisieren.
Was wir machen? Wir wollen Finanzbildung einen neuen Anstrich geben. Wir wollen das Thema Wissensvermittlung mit Unterhaltung verknüpfen, weil wir glauben, dass das Thema aktuell noch in einer staubigen Schublade steckt. Leute tun sich noch schwer damit, einen Zugang zu diesem Thema zu finden. Wir wollen eine Plattform bauen, mit der wir Leuten Zugang geben zu modernen Videokursen, unterhaltsamen Videokursen. Nicht nur ein Kurs, wo jemand vornesteht und eine mathematische Herleitung vorliest. Wir wollen die Themen so erklären, dass auch Kinder und Jugendliche sie verstehen können, weil wir glauben, dass du nur so jeden erreichen wirst. Wir haben Videokurse, die unterhaltsam sind. Wir entwickeln derzeit eine Lern-App, die jetzt im Dezember in die Betaphase geht. Da wollen wir diese ganzen Prinzipien der Gamification ebenfalls in das Thema der Finanzbildung integrieren. Und dann bieten wir für Leute, die Lust haben, noch mehr an die Hand genommen zu werden, ein virtuelles Coaching-Programm an. Wir haben noch unseren Blog, wir werden demnächst einen Podcast launchen. Wir sind dabei, ein Buch zu schreiben, eben auch, um diese ganzen Finanzthemen auf einer Ebene zu erklären, damit jeder sie versteht, auch Otto Normalverbraucher.
Dann haben Sie nicht nur eine einzige Zielgruppe vor Augen, z.B. sehr junge Menschen? Sondern eher eine breite Zielgruppe?
Absolut. Finanzbildung ist für uns kein Privileg. Ob für junge Menschen oder für alte Menschen, wir nennen es so ein bisschen übertrieben ein „Menschenrecht für alle“. Jeder soll Zugang haben zu einer einfachen, unterhaltsamen Finanzbildung. Wir merken aber auch, dass die größte Zielgruppe die 25- bis 40-Jährigen sind und auch die jüngeren Zielgruppen bis 18. Aber wir versuchen, auch die anderen abzuholen. Weil jeder finanzielle Herausforderungen hat - ob du jetzt 20 bist und gerade in den Beruf startest oder ob du 50 bist und kurz vor der Rente stehst. Wir haben alle unsere Herausforderungen und brauchen alle Support und es ist nie zu spät einzusteigen.
Wie sind Sie dazu gekommen Beyond Saving zu gründen? Was war der entscheidende Impuls?
Mein Co-Founder Martin war 15 Jahre im Private Banking tätig und er ist dort sehr stark konfrontiert worden mit den Herausforderungen auch von sehr wohlhabenden Menschen. Dazu muss man sagen, dieses Vorurteil, dass Menschen, die wohlhabend sind, keine finanziellen Probleme haben - da können wir definitiv das Gegenteil beweisen. Bei mir war es so, dass ich als Kind schon sehr früh mit den Themen Glück und Angst im Familienleben konfrontiert wurde. Mein Vater ist sehr krank geworden und ist dann arbeitslos gewesen und ich habe dann gemerkt, wie groß das Thema Angst bei uns eine Rolle gespielt hat. Ich hatte zum Beispiel in dem Zeitraum, da war ich sieben/acht Jahre alt, sehr viel Angst, das Haus zu verlieren; dass wir umziehen müssen; dass ich meine Schule wechseln muss und das Thema und der Stress haben auch zu Streit zwischen meinen Eltern geführt, zwischen meinen Eltern und meinem Bruder und mir und das hat mich damals sehr belastet. Aber es hat mich auch dazu gebracht, dass ich lernen wollte, wie ich mit Finanzen umgehen kann, damit ich eben nicht in so eine Krise hineingerate. Dann habe ich als Jugendlicher angefangen, sehr viel zu lesen, habe viele Kurse besucht an der VHS. Nach und nach habe ich gemerkt, wow, ich habe meine Finanzen im Griff und ich fühle mich super gut. Selbst wenn etwas Schlimmes passieren würde, ich bin abgesichert. Und dieses Gefühl, aus einer schwierigen Lage herauszukommen und sich entspannt zu fühlen, das möchte ich anderen Leuten auch geben. Das war einer meiner größten Impulse, um eine Plattform zu bauen, die die Menschen und ihre Herausforderungen versteht und die vor allem auf einer Augenhöhe mit ihnen ist. Bei vielen Bloggern und anderen Angeboten ist es so wie bei einer Art Mini-Univorlesung. Wir glauben aber, dass Menschen nicht so viele Informationen brauchen und dass Informationen deutlich spielerischer übermittelt werden sollten. Das ist unsere Mission und unser Ziel.
Wie wurde Beyond Saving bislang finanziert? Durch Fremdkapital oder durch Eigenkapital?
Alles durch Eigenkapital.
Wollen Sie sich zukünftig Kapital von Investoren holen?
Für das nächste Jahr ist das erst einmal nicht geplant. Aber wenn wir jemanden finden, der im Hinblick auf die Mission genauso denkt wie wir und wir in einer Situation sind, in der wir stärker wachsen wollen, mehr Leute einstellen, die App weiterentwickeln oder ein eigenes Studio haben wollen, dann werden wir uns Kapital von Investoren suchen. Von denen wir wissen, die stehen hinter der Mission, zu hundert Prozent. Wir suchen nicht den großen Exit.
Womit verdient Beyond Saving aktuell Geld?
Wir haben aktuell bereits ein, zwei Einzelkunden für das Coaching und wir schreiben aktuell für ein paar Magazine, aber derzeit liegt der Fokus nicht darauf Geld, zu verdienen. Der Fokus liegt darauf, Produkte zu entwickeln. Die Videokurse zu finalisieren und zu produzieren, die App fertig zu entwickeln, das ist gerade unser Hauptfokus. Natürlich hätten wir schon vor einem Monat rausgehen können, aber Qualität ist uns wichtig. Wir planen, ab Januar, spätestens Februar mit den Videokursen rauszugehen und dann soll sich das Geschäft monetarisieren. Bis dahin ist der Fokus: reine Produktentwicklung. Ein geiles Produkt zu entwickeln, was nutzerfreundlich ist, was die Leute lieben werden. Daher machen wir uns auch keine Gedanken ums Geld.
Beyond Saving wurde Mitte des Jahres 2020 gegründet, also mitten im Corona-Jahr. Welche Auswirkungen hatte Corona auf Ihre bisherigen Pläne?
Überhaupt keine. Das ist immer eine Frage der Einstellung. Willst du, dass die Situation dich einschränkt oder willst du dich davon nicht beeindrucken lassen. Wir haben uns davon nicht beeindrucken lassen. Wir sind immer sehr vorsichtig gewesen. Z.B. wenn wir eine Location gebucht haben, um ein Video zu produzieren. Auch bei den Mitarbeitern, wenn es zu Hause Eltern gibt, die eventuell zu einer Risikogruppe gehören. Das haben wir versucht zu respektieren, damit sich jeder wohlfühlt. Wir glauben sogar, dass es die Situation dynamischer gemacht hat.
Deutsche Verbraucher sind beim Thema Geldanlage sehr vorsichtig. Nach wie vor wird sehr viel Geld auf dem Sparbuch und Girokonto gehortet. Und das trotz eines minimalen Zinsertrags. Warum ist das so?
Es gibt ein extrem großes Sicherheitsbedürfnis in der deutschen Sparer-DNA. Die ist sehr stark von den Erfahrungen der Vergangenheit beeinflusst. Das ist der wichtigste Aspekt. Allerdings ist es eine vermeintliche Sicherheit, keine wirkliche Sicherheit, wenn man bedenkt, dass man jährlich Geld verliert, wenn man es auf dem Sparbuch parkt. Sicherheit ist anders, aus meiner Sicht. Ein zweiter Punkt ist das Thema Finanzbildung. Wir haben in anderen EU-Staaten oder in den USA ein System, in dem Finanzbildung schon relativ früh eine Rolle spielt. Die kennen auch sehr viele Vorbilder. Es gibt sehr viele Vorbildfunktionen, die auch junge Leute schon sehr früh in der Schule kennenlernen und das haben wir in Deutschland einfach gar nicht. Das Thema Finanzen spielt kaum eine Rolle, außer du bist auf einem Wirtschaftsgymnasium. Wenn ich nicht weiß, wie etwas funktioniert, werde ich immer Angst davor haben. Das ist ein extremer Mangel an Finanzbildung. Es gab mal eine Umfrage von der norisbank, die haben Leute nach ihrer Finanzbildung gefragt. Über die Hälfte hat gesagt, sie hätten keine Finanzbildung erhalten. Über 75 Prozent haben Schlafprobleme, weil sie finanzielle Sorgen haben. Eine Studie in den USA hat gezeigt, dass Menschen mit Finanzsorgen über 20 Prozent mehr Ausgaben für Schmerzmittel haben. Die Auswirkungen von schlechter Finanzbildung sind also extrem groß! Wir haben in Deutschland wirklich einen großen Nachholbedarf. Einerseits Sicherheitsbedürfnis - die Generationen mit schlechten Erfahrungen haben dieses Bedürfnis an die nächste Generation weitergegeben - andererseits das Thema mangelnde Finanzbildung. Was ich nicht kenne, das fasse ich nicht an, da mache ich nichts.
Wann wird man erkennen, dass in Deutschland großer Nachholbedarf beim Thema „finanzielle Bildung“ besteht? Wann wird sich Finanzbildung in deutschen Schulen etablieren? Wie könnte man es vernünftig jungen Menschen nahebringen?
Es gibt ein ziemlich cooles Projekt, es nennt sich „Fiuse“ (kurz für „Finance yourself“, eine Initiative der Stiftung Rechnen mit Comdirect und der Börse Stuttgart, Anm. d. Red.). Das sind Schüler, die Schülern Finanzbildung erklären. Das hat Daniel Jung, der beliebte Mathelehrer mit Youtube-Kanal ins Leben gerufen. Das ist aus meiner Sicht eine super Sache. Perspektivisch wäre es sinnvoll, sich Gedanken über ein neues Schulfach zu machen, in dem nicht nur Finanzbildung, sondern auch das Thema Entrepreneurship den Kindern viel stärker nahegebracht wird. Wir werden heutzutage gefühlt wie eine Art Soldaten ausgebildet. Es gibt so ein Gefühl, du musst angestellt sein, du musst Beamter werden. Als Beamter bist du der Superkönig, das ist einfach falsch. Wir müssen viel freigeistiger erzogen werden. Wir wollen unsere Plattform im nächsten Jahr, wenn sie live ist, Lehrern, Schülern und Schulen zur Verfügung stellen, damit sie einen Zugang haben zu Finanzbildungsthemen, die Spaß machen.
Herr Link-Arad, wir danken Ihnen für das Gespräch.